Die Synagogen im Hansaviertel

Die Synagogen im Hansaviertel

Über die große Synagoge in der Levetzowstraße haben Sie am Anfang schon einiges gehört. Allerdings gab es noch zwei weitere Synagogen und ein Projekt für den Bau einer vierten, eher orthodoxen Synagoge hier in der Umgebung. Sie sind sehr viel weniger bekannt, und außer Gedenktafeln gibt es für sie keine sichtbaren Zeichen.

Das Hansaviertel wurde in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts als vornehmes Vorstadtviertel erbaut. Bis auf wenige villenartige Gebäude handelte es sich durchweg um Mehrfamilienhäuser mit meist sehr großen Wohnungen. Oftmals hatten sie mehr als fünf Zimmer, einen separaten Dienstboteneingang und waren prunkvoll ausgestattet. Sie reichten vom Vorderhaus bis weit in den Seitenflügel. Selbst dort, wo es Hinterhauswohnungen gab, waren diese noch sehr viel weitläufiger, als die in Arbeiterbezirken wie Neukölln oder Wedding. Im Hansaviertel gab es Bäder und Zentralheizung. Sogar die Toiletten waren nicht im Treppenhaus, sondern in der Wohnung. Leisten konnte sich diesen Luxus das Großbürgertum, erfolgreiche Künstler, Wissenschaftler und hohe Beamte. Auch viele jüdische Familien waren hier zu Hause. Fast alle gehörten dem erfolgreichen und emanzipierten Judentum an, das seit Generationen in Preußen ansässig war. Beide großen Hauptrichtungen, Liberalität und Orthodoxie, waren vertreten.

Zum orthodox ausgerichteten Synagogenverein Moabit und Hansabezirk gehörte unter anderem der berühmte Maler Hermann Struck, der in der Brückenallee wohnte, wo sich heute der Englische Garten befindet. Auch Albert Einstein soll hier zeitweilig an Gottesdiensten teilgenommen haben. Die Synagoge befand sich auf dem Hof des Grundstücks Flensburger Ecke Lessingstraße. Sie folgte der typischen Architektursprache des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Gekuppelte Rundbogenfenster und reichlich Stuck. Sie hatte nur die eine schmale Fassade zum Innenhof und war ansonsten eingeklemmt zwischen ihren Nachbarhäusern. Die Synagoge wurde 1909 eingeweiht, sie hatte rund 250 Plätze, zum Teil auf Emporen. In der Pogromnacht von 1938 zerstörte der Mob das Gebäude, wenig später wurde es abgerissen. Heute erinnert nur ein Gedenkstein daran.

In der Straße Siegmunds Hof befanden sich die Synagoge und Schulräume der Gemeinde Adass Jisroel. Das Gebäude war ursprünglich nicht als Gotteshaus gedacht. Ende des 19. Jahrhunderts ließ die Akademie der Künste dort ein Atelierhaus errichten. Unter anderem arbeitete dort Käthe Kollwitz. 1924 kaufte die Gemeinde das Gebäude und ließ provisorisch eine Synagoge einbauen. Ein Neubau auf einem anderen Grundstück sollte sie eigentlich ablösen, doch dazu ist es wegen der Shoa nicht mehr gekommen.

Die provisorische Synagoge hatte 320 Plätze. Es gab eine strikte Trennung zwischen Männern und Frauen, da es eine orthodoxe Gemeinde war. Andere Räume wurden zu Lehrzwecken umgebaut. Die Pogromnacht ging an dieser Synagoge folgenlos vorbei, der Schulbetrieb wurde allerdings ab 1941 untersagt. Im Krieg wurde das Gebäude durch Bomben zerstört. An Schule und Synagoge erinnern heute eine Tafel und eine Skulptur.

Die Vielfalt jüdischen Lebens zeigte sich auch in sehr kleinen Synagogen. Die Gemeinde Beth Hamidrasch etwa versammelte sich vorläufig in Wohnräumen in der damaligen Lessingstraße. Sie nutzte später die provisorische Synagoge von Adass Jisroel in Siegmunds Hof. Das vorher für Gottesdienste genutzte Haus wurde im Krieg zerstört. Ein Erinnerungszeichen für diese eher kleine Gemeinde existiert nicht.

Ende der 1920er Jahre war eine weitere orthodoxe Synagoge für die Gegend geplant. 1930 wurde in der Agricolastraße noch ihr Grundstein gelegt, doch die Weltwirtschaftskrise verhinderte den Bau.

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