Zwangsmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte

Zwangsmaßnahmen

Schauen Sie nach rechts, vor dem U-Bahn-Eingang, Alt-Moabit 85. Dort befand sich das Geschäft von Margarethe Strauch, die im wirklichen Leben anders hieß. Ihr Name wurde für diesen Audiowalk aus rechtlichen Gründen geändert.

Gleich 1933 begann die Zerstörung der jüdischen Unternehmen mit Boykottaufrufen und gezielter Propaganda. Auf der Grundlage der „Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ erstellten 1938 die Bezirksämter eigene Verzeichnisse, in denen sie jüdische Gewerbetreibende separat listeten. Die Verwaltung war angehalten, auch solche Betriebe zu erfassen, in denen nur der Ehepartner des Inhabers jüdisch war. Im selben Jahr wurden fast 2000 jüdische Firmen zur Aufgabe gezwungen, 1939 rund 2.300. Sie wurden geschlossen oder durch Enteignung an Nicht-Juden übertragen.

So erging es auch der Unternehmerin Margarethe Strauch. Sie wurde 1900 in der ehemaligen Provinz Posen geboren, ihr Mann verstarb 1932. Sie hatten zwei Kinder.
Margarethe Strauch betrieb ihr Gewerbe von zu Hause aus, wo sie mit drei anderen Frauen Strumpf- und Ärmelhalter, Tanz- und Bindegürtel sowie Sockenhalter und ähnliches herstellte. Geschäftsbeginn war wahrscheinlich im September 1927.

1936 erhielt sie die Aufforderung, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen, darin steht:
„Herstellung und Vertrieb von Strumpf- und Ärmelhaltern. Für Geschäftszwecke dient ein Zimmer von 20 qm Fläche. Beschäftigt sind 3 gewerbliche Näherinnen, zwei Nähmaschinen werden benutzt. Im Jahr 1934 wurde ein Umsatz von 60.000 RM erzielt. Kaufmännische Buchführung ist eingerichtet.“

Anhand Margarethe Strauchs Akte kann man die Zwangsmaßnahmen gegen Juden exemplarisch nachvollziehen. Nur zwei Jahre nach der erzwungenen Eintragung im Handelsregister musste sie die Firma wieder löschen lassen. Im Schriftwechsel mit den Behörden taucht irgendwann auch der Zweitname Sara auf. Den hatte Margarethe aber nicht von ihren Eltern bekommen: Mit Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze machten sich Jüdinnen und Juden strafbar, wenn sie nicht die Vornamen Sara oder Israel beim Standesamt oder der Polizei eintragen ließen. Wer dies nicht tat, wurde mit Gefängnis zwischen einem und sechs Monaten bestraft. Als Frist der Namensänderung hatte die Staatsmacht den 31. Januar 1939 ausgegeben. Margarethe Strauch beantragte die Löschung ihrer Firma aus dem Handelsregister im Dezember 1938. Damals unterschrieb sie noch mit Margarethe Strauch. Kaum zwei Wochen später hatten sich vier Buchstaben neu eingeschlichen.
Beim Notar unterzeichnete die verhinderte Geschäftsfrau die Löschung ihrer Firma mit Margarethe Sara Strauch.

Im Gegensatz zu vielen anderen gelang es Frau Strauch, mit ihren Kindern in die USA zu entkommen. Mitte der 1950er Jahre stellte sie einen Antrag auf Entschädigung, sie forderte 12.000 D-Mark. Als Rechtsnachfolgerin des NS-Staates wurde die Bundesrepublik drei Jahre später verurteilt, ihr 8.000 DM zu zahlen. Sollte dies eine kleine Wiedergutmachung für ihr verlorenes Geschäft und das zerstörte Leben in Berlin sein? Wohl eher nur symbolisch.

« Die Heilandskirche
Die Synagogen im Hansaviertel »